Die 42-jährige Kolis Summerer lehrt das Fach „Criminal Law“ an der Fakultät für Bildungswissenschaften. Einblick in die Bedeutung von Strafrecht in der sozialen Arbeit und was es mit dem Einfluss von Hollywoodfilmen auf sich hat.

Prof. Summerer, wie gliedert sich dieses doch ungewöhnliche Fach „Criminal Law“ ein in die Lehre an der Fakultät für Bildungswissenschaften?
Kolis Summerer: Ich möchte vorausschicken, dass ich nicht in der Ausbildung für Kindergärtnerinnen und Grundschullehrer unterrichte, sondern in den Studiengängen für die künftigen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen sowie am Masterstudiengang IRIS. In der Sozialpädagogik nennt sich die Lehrveranstaltung Kinder- und Jugendrecht, in das auch das Familienrecht hineinspielt, und in den anderen Studiengängen fokussiere ich spezifisch auf Strafrecht.

Inwieweit benötigen diese Berufsbilder Rechtsfächer als Grundlage?
Die Rechtswissenschaften stellen grundlegende Fächer dar und vermitteln den Studierenden ein Basiswissen; wir und mein Kollege für Öffentliches Recht erhalten auch ein tolles Feedback. Vor allem Strafrecht wirkt eingangs abschreckend. Die Studierenden glauben, es betrifft sie nicht. Am Ende der Lehrveranstaltung kommen die Studierenden aber und sagen uns, dass es etwas Besonderes ist, wenn man erfährt, wie das Recht unser Leben beeinflusst und regelt, ohne dass wir es merken. Das Recht ist jede Sekunde unseres Lebens dabei. Gewöhnlich leidet das Strafrecht unter einem „schlechten Ruf“. Sozialarbeiter sollen aber wissen, was für Rechte und Pflichten sie haben (darunter Meldepflichten bzw. Anzeigenpflichten), wie sie sich in ihrer beruflichen Rolle schützen können, was bei Gewaltsituationen zu tun ist - je mehr sie wissen, desto besser können sie in ihrem Berufsleben auch intervenieren.

Man liest ja oft von Fällen des Kindesmissbrauchs mit der Frage, wieso das Jugendamt nicht früher eingeschritten ist. Arbeiten sie auch beispielhaft mit Fällen?
Ich erkläre stets zu Beginn, dass die Richter im Gericht sitzen und nicht auf der Straße oder in den Stadtvierteln, weswegen sie nicht unbedingt von den Problemen erfahren. Die ersten Anzeichen einer Gewaltsituation oder einer sozialen Notlage sind wahrzunehmen. Es gilt zu schauen, wenn Kinder mit blauen Flecken in die Schule kommen, wenn ihre Rechte außer Acht gelassen werden. Es gibt Kinder, die sich prostituieren, Kinder die unbegleitet einwandern: hier darf man nicht wegsehen und muss die zuständigen Behörden informieren. Daher sind die Berufe im Sozialen so wichtig. Sie stehen an der Schwelle, spüren die Konflikte und erkennen die Bedürfnisse. Aufgrund ihrer rechtlichen Grundkenntnisse können Sozialarbeiter und Sozialpädagogen Präventionsstrategien entwickeln, korrekte Maßnahmen ergreifen und die richtigen Behörden involvieren.

 

Generell sind wenige Studierenden mit Jura vertraut und ihr Wissen um Verfassung und Gesetzeslage sind sehr vage. Zudem ist die Vorstellung von Strafrecht und Strafprozess, Richtern, Staatsanwälten und Anwälten oft durch Medien beeinflusst und stark von Hollywoodfilmen geprägt.

Wie neugierig sind ihre Studierenden in den Vorlesungen?
Sehr neugierig! Ich muss zahlreiche, auch sehr komplexe Fragen in den Vorlesungen behandeln. Sie möchten verstehen, was eine Straftat ist und wie es zu einer Verurteilung kommt; sie möchten wissen, welche Verantwortungen sie haben und wen sie bei strafrechtsrelevanten Fällen eventuell miteinbeziehen müssen. Generell sind wenige Studierenden mit Jura vertraut und ihr Wissen um Verfassung und Gesetzeslage sind sehr vage. Zudem ist die Vorstellung von Strafrecht und Strafprozess, Richtern, Staatsanwälten und Anwälten oft durch Medien beeinflusst und stark von Hollywoodfilmen geprägt!

Seit März 2018 halten Sie auch eine Ringvorlesung im Studium Generale. Wie haben Sie die 10 Vorlesungen aufgebaut?
Ich habe mir Gedanken über den Aufbau der Vortragsreihe gemacht und gemäß meinem Schwerpunkt das Strafrecht in den Mittelpunkt gestellt. Ausgangspunkt sind die aktuellen Fragen unserer Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Strafrecht und Menschenrechte. Aufbauend darauf habe ich ein Programm konzipiert. Geladen sind Professoren den Universitäten Salzburg, Bologna, Trient und Innsbruck, sowie andere Experten zum Thema Menschenrechte.

Haben Sie die 10 Vorlesungen thematisch unterteilt?
Zuerst bedurfte es einer kurzen Einführung in die Menschenrechte, mit Bezug auf ihre historische Entwicklung und die philosophischen Hintergründen. Robert Simon von der Plattform EUPHUR hat dazu eine tolle Vorlesung über Kant gehalten. Drei Überthemen kennzeichnen die Ringvorlesung. Erstens, die nationale, europäische und internationale Dimension der Menschenrechte, auch im Zusammenhang mit hochaktuellen Thema wie Terrorismus und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; zweitens die Relevanz der Grundrechte im kontroversen Bereich der Bioethik und des Biorecht und drittens die Anerkennung der Menschenrechte im Stafprozessrecht und im Strafvollzug. Zur internationalen Dimension haben Kollegin Prof. Stefania Baroncelli über Diskrimierungsverbot und Cuno Tarfusser über seine Erfahrung am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag referiert; beim Themenkreis Terrorismus ging es nicht nur um das Recht auf Sicherheit und Leben aller Bürger, sondern auch um die erheblichen Einschränkungen der Menschenrechte im Namen der Terrorismusbekämpfung. Beim nächsten Vortrag über Bioethik werden die rechtlichen Fragen am Anfang und am Ende des Lebens aufgegriffen werden, also zum einen die künstliche Fortpflanzung und zum anderen die Patientenverfügung und die Sterbehilfe. Zum Thema Strafprozessrecht wird zuerst die Trientner Garantin der Inhaftieren Personen dazu referieren, wie die Rechte der Gefangenen konkret geschützt werden sollen (da in Italien ja schon allein die Überfüllung der Gefängnisse ein großes Problem darstellt); darauf wird die Kollegin aus Innsbruck einen Vortrag über die Rechte der Angeklagten im Strafprozess halten. Der Kollege aus Salzburg wird schließlich die Relevanz der Menschenrechte in der alltäglichen Praxis behandeln und die Vertreter von Amnesty International werden über Migration sprechen.

Stellen die zumeist älteren Besucher des Studium Generale andere Fragen als die Studierenden?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Auch sie stellen ganz spontan Fragen, die mit ihren persönlichen Erfahrungen verknüpft sind oder auch Verständnisfragen. Sie haben auf jeden Fall ein wahres und tiefes Interesse.

Werden auch im kommenden Jahr beim Studium Generale solche Ringvorlesungen angeboten werden?
Unsere Idee wäre es, auch im kommenden Jahr den roten Faden der Menschenrechte weiterzuführen, wenngleich mit einem anderen Schwerpunkt. Dabei wollen wir die Nähe zu EUPHUR, an der die drei Universitäten von Bozen, Innsbruck und Trient beteiligt sind, nutzen.

 

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