Das Netzwerk Planet Science lädt am Dienstag, 31. Oktober um 17 Uhr zum Vortrag von Miriam Erlacher vom Universitätsklinikum Freiburg an die unibz. EIn Gespräch mit der Wissenschaftlerin, die 2015 mit 1,5 Mio Euro die höchste Nachwuchs-Förderung der Europäischen Union zuerkannt erhielt.

Die Villandererin Miriam Erlacher hat nach ihrem Studium der Humanmedizin in Innsbruck eine wissenschaftliche Karriere am Universitätsklinikum Freiburg eingeschlagen. Dabei kann sie bereits auf über 30 Publikationen verweisen. 

Sie forschen am Universitätsklinikum Freiburg im Bereich der chronischen Immundefizienz und der Stammzellforschung. Wo genau setzen Sie Ihren Schwerpunkt?
Miriam Erlacher: Eigentlich bin ich pädiatrische Hämatologin und Onkologin, das heißt, ich arbeite primär an Tumorerkrankungen und Erkrankungen der Blutbildung. Meine klinische Tätigkeit umfasst daher die Betreuung von Kindern mit verschiedenen malignen Erkrankungen (z.B. Leukämien oder Knochentumoren) oder Auffälligkeiten in der Blutbildung und von Kindern, die eine Knochenmarktransplantation benötigen.
Passend dazu liegt auch mein wissenschaftlicher Schwerpunkt im Bereich der Blutbildung, die Stammzellbiologie miteingeschlossen. Fragen, die wir uns stellen, sind: Wie funktioniert die Blutbildung? Was geschieht nach einer Stammzelltransplantation? Wie entstehen Knochenmarkversagen oder Leukämien?

Hier kommt die Apoptose, also der Zelltod, ins Spiel, nicht wahr?
Ja, bei all diesen Fragen steht die Apoptose im Mittelpunkt, also der programmierte Zelltod. Knochenmarkzellen können entweder geplant absterben, weil sie gefährlich sind (z.B. als Schutz vor Leukämien). Knochenmarkzellen sterben aber auch aufgrund von krankhaftem Stress (z.B. bei bestimmten syndromalen Erkrankungen wie Fanconi-Anämie) oder wenn ein Patient Chemotherapie erhält. Wir untersuchen, wie in solchen Situationen die Zelle abstirbt und wie man das hemmen könnte.

Ihnen wurde im Jahr 2013 der Preis der deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark und Blutstammzelltransplantation zuerkannt – welchen Durchbruch in der Forschung konnten Sie erringen? 

Bei einer Knochenmarktransplantation ist es wichtig, einem Patienten eine ausreichende Anzahl an Spender-Stammzellen zu geben, damit sie wieder im Knochenmark anwachsen und Blut bilden können. Wenn es nicht ausreichend Stammzellen für einen Patienten gibt (wenn z.B. für einen erwachsenen Patienten nur Nabelschnurblut zur Verfügung steht oder wenn ein 10-jähriges Kind von seinem 2-jährigen Geschwisterkind transplantiert werden muss), sind große Probleme zu erwarten.

Wir haben gezeigt, dass während einer Transplantation viele der Spenderzellen durch Apoptose sterben, und die zugrundeliegenden Signalwege charakterisiert.
Hemmen wir diese Signalwege, erreichen wir – zumindest im Mausmodell – eine deutliche Verbesserung der Transplantationsergebnisse.

Hat diese Erkenntnis schon eine Umsetzung in Ihrem klinischen Alltag erfahren?
Eine solche Apoptose-Hemmung könnte auch im klinischen Alltag hilfreich sein, damit die Patienten eine höhere Anzahl an lebenden und gut funktionierenden Stammzellen erhalten. Ob und wie wir das Wissen im klinischen Alltag anwenden können, ist aber bisher noch nicht geklärt. Leider dauert es in der Wissenschaft immer sehr lange, bis Erkenntnisse der Grundlagenforschung ihren Weg in die klinische Anwendung finden.

2015 haben Sie dann mit der einem ERC Starting Grant der Europäischen Union in Höhe von 1,5 Millionen Euro die höchste Förderung des Europäischen Forschungsrats für junge Wissenschaftler erhalten. Was beinhaltet Ihr damit gefördertes 5-jähriges Forschungsprojekt?

In diesem Projekt geht es darum, die Mechanismen zu untersuchen, welche in Patienten mit Fanconi-Anämie oder Dyskeratosis congenita zunächst zum Knochenmarkversagen und später zur Leukämie führen. Auch hier steht wieder der programmierte Zelltod, die Apoptose, im Mittelgrund. Allgemein nimmt man an, dass das Absterben von prä-malignen Zellen notwendig ist, um eine Leukämieentstehung zu vermeiden. Wir haben jedoch Hinweise darauf, dass in bestimmten Situationen Zelltod nicht vor Leukämie schützt, sondern dass im Gegenteil zu viel Zelltod zu Leukämien führt. Ob dies auch für die genannten Erkrankungen gilt, soll in diesem Projekt untersucht werden.

Wird durch Ihre Forschung des programmierten Zelltods – der Apoptose – eine Heilung der Leukämie möglich sein?

Unsere Forschung ist momentan weniger auf die Therapie von Leukämien, sondern eher auf ihre Entstehungsmechanismen ausgerichtet. Im Idealfall könnte unsere Forschung dabei helfen, Leukämien in bestimmten Situationen zu vermeiden oder zu verzögern. Ich möchte aber betonen, dass kindliche Leukämien gottseidank sehr häufig geheilt werden können.

Was war für Sie ausschlaggebend, nach dem Studium der Humanmedizin in Innsbruck den Weg in die Forschung einzuschlagen?
Ich habe während meiner medizinischen Doktorarbeit meine Begeisterung für die Forschung entdeckt. Es gefällt mir, Fragen zu stellen und über das Bekannte „hinaus zu denken“ und dann zu versuchen, diese Fragen zu beantworten. Als ich das Medizinstudium abgeschlossen hatte, ergab sich die Gelegenheit, eine PhD-Doktorarbeit anzuschließen. Später dann, als Assistenzärztin in Freiburg, habe ich sehr schnell bemerkt, dass mir die Forschung fehlt. Also habe ich nach ca. 2-3-jähriger Pause wieder mit der Forschung angefangen. Inzwischen habe ich eine kleine Arbeitsgruppe mit Postdoktoranden, Doktoranden und einer MTA und es macht mir weiterhin sehr viel Spaß.

Neben Ihrer Forschungstätigkeit sind Sie weiterhin als Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin tätig. Sehen Sie diese zweifache Schiene als Ausgleich oder stellt es manchmal auch eine Mehrbelastung dar?

Natürlich ist es manchmal anstrengend, zwei so unterschiedliche Berufe miteinander zu kombinieren. Ich habe allerdings den Vorteil, dass ich nur zu 50% in der Klinik arbeite, die restlichen 50% kann ich im Labor verbringen. Das unterscheidet mich von vielen meiner Kollegen, die primär „Feierabend- und Wochenendforschung“ betreiben müssen.
Inhaltlich ist es aber in jedem Fall eine sehr schöne Bereicherung für mich, diese zwei Berufe kombinieren zu können. Mir macht sowohl die Arbeit mit meinen Patienten als auch mit meiner Arbeitsgruppe sehr viel Spaß und ich finde, die beiden Berufe befruchten sich gegenseitig.

Was verbindet Sie mit Südtirol?

Obwohl ich seit 10 Jahren in Freiburg lebe, hänge ich noch sehr an Südtirol: an meiner Familie und meinen Freunden sowie an den Bergen. Den Urlaub verbringe ich zumeist daheim, und wenn es irgendwie geht, fahre ich auch zwischendurch für ein langes Wochenende nach Südtirol.

Und was wünschen Sie sich in Sachen Wissenschaft für Südtirol?

Ich finde es sehr wichtig für Südtirol, dass in die Forschung und Entwicklung investiert wird. Einrichtungen wie die Freie Universität, die EURAC und der Sanitätsbetrieb leisten dazu einen großen Beitrag. Netzwerke wie die Südstern-Planeten Science und Medizin können zudem einen Beitrag zur Entwicklung der wissenschaftlichen Landschaft leisten, indem sie die Vernetzung von Wissenschaftlern und Projekten in und außerhalb von Südtirol fördern und sich in der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern engagieren.
Einen größeren Nachteil sehe ich persönlich für die lebenswissenschaftliche Forschung in Südtirol: die fehlende Möglichkeit, hier Tierversuche durchzuführen. Dies stellt meiner Meinung nach eine große Einschränkung für die Weiterentwicklung medizinisch-biologischer Projekte dar.

 

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