Es ist eines der ehrgeizigsten und zugleich vielversprechendsten Langzeitprojekte der EURAC: die Südtiroler Gesundheitsstudie CHRIS, für die die Forscher des EURAC-Zentrums für Biomedizin regelmäßig zwischen Bozen Süd und Schlanders pendeln. Gestartet im August 2011, hat die Studie mittlerweile 7000 Teilnehmer im Vinschgau gewonnen. Die Daten aus der Studie sind für die internationale biomedizinische Forschung von großem Wert.

Georg Huber* setzt sich an den Frühstückstisch, der liebevoll gedeckt im CHRIS-Zentrum im Krankenhaus Schlanders für die Studienteilnehmer bereit steht. Die Untersuchungen, zu denen er nüchtern am frühen Morgen erscheinen musste, hat der Vierzigjährige hinter sich: darunter ein EKG, das Messen von Körpergewicht, Größe und Blutdruck, aber auch ein ausführliches Gespräch über den eigenen Gesundheitszustand, die Lebensgewohnheiten und die eigene Krankengeschichte sowie die Abgabe einer Blut- und Urinprobe. Etwas Zeit bleibt noch für einen kurzen Plausch mit der Studienassistentin, die er von der Schulzeit kennt. Sie stammen beide aus demselben Dorf im Vinschgau. Bedenken an der Studie teilzunehmen hatte er keine. „Meine Frau war beim Informationsabend bei uns im Dorf. Dort hat sie gleich die ganze Familie zur Studie angemeldet - und wenn meine Frau von etwas überzeugt ist, dann passt das auch“, erzählt er augenzwinkernd. Außerdem sei er stolz darauf einen Beitrag für die Gesundheitsforschung zu leisten, betont Huber, und er habe großes Vertrauen in das Studienteam, das zum Teil aus Forschern des Bozner EURAC-Zentrums für Biomedizin und zum Teil aus Studienassistentinnen und Krankenschwestern besteht, die wie die Studienteilnehmer selbst auch im Vinschgau ansässig sind.
„Bislang hat kein Teilnehmer seine Zustimmung zur Teilnahme widerrufen. Das lässt darauf schließen, dass unsere Probanden von ihrer Teilnahme überzeugt sind und sich von uns gut betreut fühlen“, bestätigt Cristian Pattaro, der wissenschaftliche Leiter der CHRIS-Studie. Er forscht am Zentrum für Biomedizin in Bozen Süd und fährt regelmäßig ins Studienzentrum nach Schlanders. Die Kommunikation vor Ort und die umfassende Information der Teilnehmer - über ihre Rechte, die Aufbewahrung ihrer Daten und Proben und über die Vertraulichkeitsrichtlinien - ist das Herzstück der Studie, das neben der rein wissenschaftlichen Arbeit einen großen Teil der jahrelangen Vorbereitungen auf die Studie in Anspruch genommen hat.
Doch was macht die CHRIS-Studie für die internationale Forschungswelt so besonders? Zunächst zu den Eckdaten des Projekts: Die CHRIS-Studie ist eine auf lange Zeit angelegte Bevölkerungsstudie. Sie wird vom Zentrum für Biomedizin - einer gemeinsamen Einrichtung der EURAC und des Südtiroler Sanitätsbetriebs - durchgeführt. Zum einen machen sich die Forscher ein Bild über den Gesundheitszustand der Bevölkerung und beobachten dessen Entwicklung über Jahre hinweg. Zum anderen untersuchen sie mithilfe der gesammelten Daten, welche Umwelteinflüsse und welche genetischen Faktoren für verbreitete Erkrankungen in Südtirol verantwortlich sind, welche Faktoren eine Erkrankung beschleunigen und welche hingegen den Krankheitsverlauf verlangsamen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Herzkreislauferkrankungen, Stoffwechsel- und neurologischen Erkrankungen. Der unmittelbare Nutzen für die Bevölkerung besteht darin, dass die Teilnahme einen kostenlosen Gesundheits- Check beinhaltet und die frühzeitige Diagnose verbessert wird. Für die internationale Forschungswelt bilden die Daten und Ergebnisse aus der CHRIS-Studie eine Ressource von großem Wert, weshalb die CHRIS-Daten bereits jetzt in weltweite Großprojekte zur medizinischen Forschung mit einfließen.

Für die Forschung ist dies eine besondere Ausgangslage. Denn wir haben viel weniger ‚Störfaktoren‘ als bei ähnlichen Studien in großen Städten.

Die Anzahl der Teilnehmer – derzeit 7000, angestrebt sind 10.000 – mutet im Vergleich mit ähnlichen weltweiten Projekten bescheiden an. So greift der britische Wellcome Trust auf die UK-Biobank mit Daten und Proben von 500.000 Teilnehmern zurück, die deCODE Biobank in Island hat immerhin 270.000 rekrutierte Probanden, und das ehrgeizige estnische Estonian Genome Project hat sich nicht weniger als eine Million Teilnehmer zum Ziel gesetzt.
Doch der Wert der CHRIS-Studie liegt gerade in ihrer Überschaubarkeit. „Die Teilnehmer der CHRIS-Studie haben im Großen und Ganzen ein ähnliches Lebens- und Arbeitsumfeld, sie sind ähnlichen Umweltfaktoren ausgesetzt, haben ähnliche Essgewohnheiten. Es ist eine eng umgrenzte Bevölkerung, keine Millionen in riesigen Gebieten, sondern Familien. Für die Forschung ist dies eine besondere Ausgangslage. Denn wir haben viel weniger ‚Störfaktoren‘ als bei ähnlichen Studien in großen Städten“, erklärt Martin Gögele vom EURAC-Zentrum für Biomedizin, der im epidemiologisch- statistischen Bereich der CHRIS-Studie forscht. Zudem sei die Umzugsrate der Vinschgauer Studienteilnehmer vergleichsweise niedrig, was es erlaube die Menschen über längere Zeiträume besser zu beobachten und zurückzuverfolgen, wie Gögele sagt. Diese Nähe zu den Teilnehmern wird durch die enge Zusammenarbeit der Forscher mit dem Krankenhaus vor Ort in Schlanders, wo sich auch das Studienzentrum befindet, und mit den Hausärzten im Vinschgau noch verstärkt.
Diese Eigenheiten machen die Studie vor allem auch in genetischer Hinsicht so besonders: Die Tatsache, dass jeweils mehrere Mitglieder einer Familie und mehrere Generationen aus einer Familie teilnehmen, macht die Daten zu einer äußerst wertvollen Ressource, auch für die weltweite genetische Forschung. Entwicklungen von Krankheiten und genetisch bedingte Schutz- oder Risikofaktoren können mit dieser Datengrundlage deutlich besser als mit großen heterogenen Datensammlungen erforscht werden. Erste wissenschaftliche Ergebnisse aus der CHRIS-Studie erwarten die Forscher in den kommenden Jahren.
Studienteilnehmer Georg Huber* ist sich in einem Punkt jedenfalls sicher, wie er schmunzelnd betont: „Die Studie wird zeigen, dass das Essen von Palabirn‘ und Vinschger Marillen ein wichtiger Faktor für die gute Gesundheit der Vinschger Bevölkerung ist.“

*Name von der Redaktion geändert

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