Wie finden angehende Kunstschaffende ihren eigenen künstlerischen Ausdruck? Die Professorin und Künstlerin Eva Leitolf führt dies für den Bereich Fotografie in einem illustren Rahmen vor.

Die Vorfreude ist groß bei den Studierenden, die schon in den Anfängen ihrer künstlerischen Karriere die Chance bekommen, ihre Arbeiten im Rahmen des renommierten Festivals FOTO WIEN 2022 im Wiener Museumsquartier einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Entstehen dieser Projekte im Bachelor für Design und Künste - Studienzweig Kunst ist ein intensiver Prozess, den die Foto- und Videoexpertin Prof. Eva Leitolf mit viel Enthusiasmus begleitet. Im Gegensatz zu gängigen Ausbildungskonzepten wird an der Bozner Fakultät projektbezogen mit einem Thema gearbeitet.

Meisterklassen existieren nicht, vielmehr werden die Studierenden in den Studios Image, Space, Interact und Exhibit von jeweils drei Lehrenden ein Semester lang in einer offenen und flexiblen Lern- und Lehratmosphäre begleitet.

Das Team des Studio Image, Prof. Eva Leitolf, Giulia Cordin und German Duarte, bietet den Studierenden zur kreativen Auseinandersetzung mit einem gesellschaftsrelevanten Semesterthema einen sehr großen diskursiven Raum, in dem kritisches Hinterfragen und Debattieren in der Gruppe ebenso eine große Rolle spielen, wie Fragen der politischen und sozialen Kontextualisierung von Bildern und deren Produktion. Am Beginn steht sehr viel anregender und konstruktiver Input vom Studio-Team, von den Studierenden selbst sowie von externen geladenen Gästen außerhalb der Uni, die sich zum jeweiligen Thema mit den jungen Menschen konfrontieren.

Beim Thema „Dick Pics und Mug Shots“ wurden die politischen Dimensionen von medialisierten Körpern diskutiert, während sich „Democracy in Distress?“ mit neuen Formen der Propaganda beschäftigte. „Fake for Real“ befasste sich mit Strategien der Täuschung und der Nachahmung, sowohl auf künstlerischer als auch auf gesellschaftspolitischer Ebene, und in „Violent Images“ ging es darum, wie Gewalt in Bildern einerseits dargestellt wird, aber wie Bilder auch strukturell benutzt werden, um Gewalt auszuüben.

Innerhalb des diskursiven Feldes im Studio Image beginnen die jungen Kunstschaffenden ihr persönliches Projekt zu entwickeln. Im Prinzip sind sie völlig frei in ihrer Wahl der Methodik, des Materials und auch im Format ihrer Projekte. Dem kreativen Experimentieren ist hier kein Ende gesetzt und die Arbeiten können am Ende als Installationen, Fotos oder Videoperformances sowohl in Ausstellungsräumen als auch in Publikationen oder auf Webseiten ihren Platz finden. Viele der sehr jungen Studierenden müssen sich an diese neue Form der Auseinandersetzung mit einem Thema erst langsam herantasten, da sie aus einem Schulsystem kommen, das nach den Kriterien „richtig“ oder „falsch“ funktioniert.

Im Studio dürfen sie erst einmal begreifen, dass sich ihnen ein großer weiter Raum eröffnet, in dem diese Gegensätze keine Gültigkeit mehr haben. „Wir bieten ihnen einen sicheren Ort, in dem sie formulieren können, wofür sie sich interessieren und in dem sie Begeisterung und vor allem auch ein Gefühl der inneren Notwendigkeit des eigenen Schaffens entwickeln“, erklärt Prof. Leitolf. Es geht ihr vor allem darum, dass die Studierenden ihren eigenen Weg finden, sich selbst zu beauftragen und ihren persönlichen künstlerischen Prozessen zu vertrauen.

Was bei dieser Art der kreativen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen entsteht, erlangt mit der Ausstellung „SHOOT & THINK“ im frei_raum des Q21 im Wiener Museumsquartier Sichtbarkeit in großem Rahmen. Eingebunden in das Festivalprogramm der FOTO WIEN 2022 werden vom 9. bis 27. März künstlerische Arbeiten von Studierenden gezeigt, die im Studio Image in den vergangenen fünf Jahren zu verschiedenen Semesterthemen entstanden und programmatisch für die Art des Lehrens des Studio-Teams sind. Prof. Leitolf wird darüber hinaus auch beim großen Symposium mit dem Titel „Fotografie heute“ zum Thema „Fotografie und Lehre“ sprechen, worin sich auch eine ideale Gelegenheit bietet, mit Lehr- und Künstlerkolleg*innen über die Entwicklung der Lehre zu diskutieren.

Für die jungen Menschen wird es eine aufregende Erfahrung sein, sich außerhalb des geschützten Rahmens des Studios mit den Anforderungen und Restriktionen eines Ausstellungsraums zu konfrontieren und herauszufinden, wie sie die eigenen Bilder, Installationen oder skulpturalen Elemente den Bedingungen vor Ort anpassen können. Auch die Möglichkeit, sich mit kuratorischen Fragen zu beschäftigen, bietet den angehenden Kunstschaffenden einen großen Erfahrungswert, um in ihrem späteren Wirken auf Augenhöhe mit Kuratorinnen und Kuratoren verhandeln zu können. 

Dass die jungen Künstlerinnen und Künstler in diesem eindrucksvollen Rahmen jedoch erstmals ihre eigene Wirkmächtigkeit erfahren können, wird mit Sicherheit ein prägender und beflügelnder Moment.

Neben der Ausstellung wird im Rahmen der FOTO WIEN 2022 ein weiteres Highlight des Studio Image präsentiert. Das Team Leitolf-Cordin-Duarte veröffentlicht eine Publikation, die neben den künstlerischen Arbeiten aus einem Zeitraum von fünf Jahren auch die wertvollen diskursiven Auseinandersetzungen zu den jeweiligen Semesterthemen beschreibt, die zu den Entstehungsgeschichten der studentischen Werke beigetragen haben.

Michelangelo Boldrin: Through the Eye_The Aesthetic of Control, 2020

Das in englischer Sprache publizierte Buch mit dem Titel „SHOOT & THINK: Negotiating Images“ wird als Workbook verstanden, mit dem das Team des Studio Image dazu angeregt wird, die eigene Lehrpraxis zu reflektieren, sich selbst zu hinterfragen und sich an einer breiteren Diskussion darüber zu beteiligen, was es heute bedeutet, an einer akademischen Institution Fotografie zu lehren. Viele der Gäste, die den Studierenden Einblick in ihr künstlerisches und gesellschaftspolitisches Wirken gegeben haben, werden mit eigenen Textbeiträgen und Interviews zum Erfolg dieses Buches beitragen. Bernhard Schwenk von der Pinakothek der Moderne in München oder Marco Giacomelli von Artribune, der niederländische Künstler Jonas Staal, der im Studio einen Vortrag zum Thema „Propaganda Art in the 21st Century“ hielt oder der Designer Edel Rodriguez, der bekannt ist für seine Trump-Covers im Time Magazine und im Spiegel, sind nur einige der Menschen, die in dieser besonderen Publikation zu Wort kommen werden.

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