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Eurac Research: Labore des Instituts für Mumienforschung im NOI Techpark eröffnet.

Geflochtene Zöpfe aus kastanienbraunem Haar umrahmen das kleine Gesicht – seltsam unnatürlich wirkt die perfekt erhaltene Frisur auf dem Haupt der über 500 Jahre alten südamerikanischen Kindermumie, die vorübergehend in den Laboren des Bozner Instituts für Mumienforschung von Eurac Research untergebracht ist. Für die Forscher bergen Mumien einen unermesslichen Schatz an Informationen. Mit immer besseren Technologien können die Wissenschaftler etwa Erkrankungen bis in die Steinzeit zurückverfolgen, die heute als „moderne Zivilisationskrankheiten“ gelten – mit wertvollen Erkenntnissen für die moderne Medizin. Das Bozner Institut ist mit seinen breitgefächerten Kompetenzen weltweit eines der wichtigsten Referenzzentren für die Erforschung menschlicher Überreste: von der klassischen physischen Anthropologie über biomolekulare Analysemethoden bis hin zu Pionierarbeiten zur bestmöglichen Konservierung von Mumien und nicht zuletzt aufgrund seiner Koordinierung der Forschungsarbeit an der weltberühmten Gletschermumie Ötzi. Anfangs September hat das Institut seine Labore im NOI Techpark eröffnet.

Archäologische Schätz aus aller Welt – multidisziplinärer Ansatz
Tutanchamun, Ramses III., die Gletschermumie Ötzi – für Mumienfunde aus aller Welt und auch für die Skelettfunde aus den verschiedenen archäologischen Fundstätten in Südtirol ist das Institut für Mumienforschung von Eurac Research mit seinen Laboren eine wichtige Anlaufstelle.

 

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Die Erforschung der Funde beginnt im Labor für biologische Anthropologie: Hier wird die Vollständigkeit der Knochen erfasst und überprüft, wie gut die Überreste erhalten sind. Größe, Geschlecht und Sterbealter bestimmen die Forscher mit Instrumenten wie Messschieber, Dentalsonde, Lupe und Mikroskop. Sie analysieren Erkrankungen und Todesursache; mit Isotopenbestimmungen an Knochen und Zähnen können sie auch nach Jahrtausenden ermitteln, wo ein Mensch aufgewachsen ist und gelebt hat. Auch Rückschlüsse auf die Ernährung und Gesundheitsbedingungen sind möglich. „Das Besondere an unseren Laboren ist, dass wir verschiedene Disziplinen in den vier Laboren Tür an Tür an einem Ort vereinen und gemeinsam mit einem ganzheitlichen Ansatz an einen Fund herangehen“, erklärt der Molekularbiologe Frank Maixner von Eurac Research. So können Ergebnisse aus den physischen Untersuchungen der Knochen im angrenzenden Labor für antike DNA auf molekularer Ebene zum einen überprüft werden. Zum anderen bieten DNA-Analysen zusätzliche Informationen, die aus kleinsten Gewebeproben gewonnen werden können, wie die Genetikerin Giovanna Cipollini ausführt: „Wir können mehr über die genetische Herkunft erfahren, über Verwandtschaftsverhältnisse zwischen menschlichen Überresten aus ein und demselben Fundort; wir können Krankheitsbilder rekonstruieren, die es zu früherer Zeit schon gab.“ Im Labor für moderne DNA arbeiten die Wissenschaftler auch daran, ihre Untersuchungstechniken zu optimieren. „Unsere Forschungspartner und Auftraggeber sind Museen, Archäologen, kirchliche Institutionen. Sie treten an uns heran, weil wir ihre Funde in ihrer Gesamtheit untersuchen mit dem Anspruch, so wenig invasiv wie möglich vorzugehen. Zudem beraten wir sie auch darin, wie sie ihre Schätze am besten erhalten und konservieren können“, unterstreicht Albert Zink, der Leiter des Instituts für Mumienforschung. So erforscht das Institut im Labor für Konservierungstechnik die besten Bedingungen für die Konservierung von Mumien und realisiert auch maßgeschneiderte Lösungen zum Beispiel für Museen.

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Spezialisten fürs „Kleine“
Die Bozner Mumienforscher sind auf kleinste Probenmengen spezialisiert. „Notgedrungen müssen wir mit kleinsten Proben arbeiten: Wir haben es mit sehr alten menschlichen Überresten zu tun, die unwiederbringlich verloren sind, wenn sie beschädigt oder gar zerstört werden. Jede Probenentnahme wägen wir genauestens ab“, macht Albert Zink deutlich. Daher sind auch die technologischen Gerätschaften in den Laboren im NOI Techpark darauf ausgerichtet, mit winzigen Proben zu arbeiten. „Gleichzeitig bekommen wir oft stark degradiertes Material, wo die DNA nur noch in Bruchstücken vorhanden ist und in sehr kleinen Mengen. Dazu kommt, dass dort auch viele Bakterien sind, die gar nicht ursprünglich von diesem Menschen stammen“, führt Zink weiter aus. Deshalb arbeitet er mit seinem Team daran, die Analysetechniken kontinuierlich zu verfeinern. Techniken, die auch für die moderne Medizin von großem Interesse sind, beispielsweise, wenn es darum geht, im Körper eines Patienten einen Krankheitserreger nachzuweisen, der nur in sehr geringen Spuren vorhanden ist.
„Die Labore für Mumienforschung haben im NOI Techpark ihren idealen Platz gefunden“, unterstrich Landeshauptmann Arno Kompatscher, der die Labore im NOI Techpark mit eröffnete. „Hier laufen innovative hochspezialisierte Technologien zusammen, die von größtem Interesse sind – sowohl für die Untersuchung und den Erhalt von wertvollstem Kulturerbe aus aller Welt als auch für archäologische Funde in Südtirol. Gleichzeitig sind es Technologien, die auch von großem Wert für die moderne klinische Medizin sind.“

Erkenntnisse für kommende Generationen
„Wenn wir sehr alte menschliche Überreste untersuchen, halten wir gleichermaßen eine molukulare Uhr in den Händen, die wir Tausende von Jahren zurückdrehen und dann mit unseren heutigen Daten vergleichen können“ sagt Frank Maixner. Gemeinsam mit Forscherkollegen aus aller Welt arbeiten die Bozner Forscher daran, Datenbanken mit Informationen beispielsweise zu jahrtausendealten Krankheitserregern zu generieren. So entschlüsselten sie bereits mithilfe einer Magenprobe von Ötzi das 5.300 Jahre alte Genom des Bakteriums Helicobacter pylori, das heute die Hälfte der Menschheit in sich trägt. „Wir erbrachten zum ersten Mal den Nachweis, dass dieses Bakterium den Menschen tatsächlich schon so lange begleitet. Besonders spannend war dabei, dass Ötzis Keim einer Variante ähnelt, die man heute vor allem in Asien findet. Dies liefert uns wiederum neue Rückschlüsse auf die Besiedelungsgeschichte Europas“, erläutert Albert Zink. Die Erkenntnisse aus der Analyse sehr alter DNA sind auch für die moderne Medizin interessant. Denn das Wissen, wie ein Bakterium sich im Menschen weiterentwickelt und angepasst hat, kann auch Ansatzpunkte für die Behandlung liefern.

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