Diese Formel hat man in Südtirol im vergangenen Winter täglich gehört. Doch haben wir sie auch wirklich verstanden? Der Sicherungspakt mit Rom verpflichtet Südtirol zur Abgabe von mehreren Milliarden Euro in den kommenden Jahren. Die politische Gegenleistung Roms: Planungssicherheit.

Ist Italien Griechenlands Nachfolger? Um genau das zu verhindern, wird seit Jahren gespart, wo es nur geht. Derzeit drückt auf Italien eine Schuldenlast von rund 2200 Milliarden Euro. Daher wird auch dem kleinen Mann in die Tasche gegriffen: 80 Milliarden Zinsen sind jedes Jahr aufzubringen, da soll jede erdenkliche Sparmaßnahme helfen. Um den staatlichen Schuldenberg abzutragen, hat die Regierung in den vergangenen Jahren immer häufiger auf die Haushalte der Regionen und autonomen Provinzen zurückgegriffen. Prinzip Solidarität. Wer mehr hat, als er unbedingt braucht, muss etwas abgeben. In einigen Föderalstaaten wie Deutschland gibt es den horizontalen Finanzausgleich. Reiche Bundesländer müssen den ärmeren Bundesländern jährlich Gelder abgeben, um gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu garantieren. In Italien aber funktioniert dies vertikal: Die Gelder fließen nach „oben“ und sollen vor dem Staatsbankrott retten. Eigentlich „flossen“ sie aber gar nicht mehr: Entgegen der Verpflichtung, alles mit der autonomen Provinz Bozen auf Augenhöhe auszuhandeln, legte Rom den Beitrag an der Schuldentilgung einseitig fest und behielt diese Summe einfach ein.

Schon 2010 stimmte Südtirol zu, sich jährlich mit 100 Millionen Euro an der Staatssanierung zu beteiligen. Im Gegenzug brachte dieses Mailänder Abkommen Südtirol neue Kompetenzen ein, wie etwa RAI Südtirol oder das Gefängnis. Zusätzlich zu den 100 Millionen Euro behielt Rom weitere rund 2,4 Milliarden Euro ohne Rücksprache mit Bozen. Gegen dieses einseitige Vorgehen reichte Südtirol Anfang 2012 Klage beim Verfassungsgericht ein. Erst 2014 trafen sich dann Bozen, Trient und Rom am Verhandlungstisch. Die Position der beiden autonomen Provinzen war klar: Rücknahme des Rechtsstreits, aber dafür langfristig festgelegte Beiträge zur Staatssanierung. Abstrakt klingt das einfach, aber die Zahlen zeigen, wie schwierig und riskant diese Zukunftsplanung der Verhandlungspartner war. Am 15. Oktober 2015 unterzeichneten sie den patto di garanzia. Ein Erfolg, dieser Sicherungspakt? Was kostet Südtirol die Planungssicherheit? 2,4 Milliarden (Verlust infolge der Klagerücknahme), jährlich 100 Millionen (Beitrag aus dem fortbestehenden Mailänder Abkommen), jährlich zusätzliche 477 Millionen (laut Sicherungspakt bis 2022, dann wird neu verhandelt), bis 2018 einmalig zusätzliche 640 Millionen (als zinsloses Darlehen an den Staat zur Erreichung der EU Stabilitätskriterien), eventuell jährlich zusätzliche 47,7 Millionen (Notfallklausel falls Naturkatastrophen oder überdurchschnittliche Neuverschuldung des Staates eintreten).

Die enormen Ziffern haben so manchen Zweifel aufkommen lassen. Aber das Wichtigste ist mal wieder die Hülle, das Wie, und nicht der Inhalt, die konkreten Milliarden: Der Staat wurde gezwungen, das Verhandlungsprinzip einzuhalten. Damit wurden der Autonomiestatus und die Sonderstellung der beiden Provinzen im Vergleich zu den Regionen mit Normalstatut bestätigt. Außerdem wurde der Beitrag zur jährlichen Schuldentilgung erstmals an die Schuldenzinslast des Staates geknüpft. Die 477 Millionen entsprechen einem Anteil Südtirols an den Zinsen, die der Staat jährlich seinen Gläubigern bezahlen muss, von nur 0,6 Prozent. Hätte man hingegen Südtirols Anteil am Bruttoinlandsprodukt als Bemessungsgrenze gewählt, so läge der Anteil bei rund 1,2 Prozent und damit bei jährlich 950 Millionen. Die bislang einbehaltenen 2,4 Milliarden hatte Rom sogar ohne objektive Kriterien festgelegt. Ein dritter Aspekt bei der Frage nach Erfolg oder Misserfolg betrifft die Handlungshoheit der autonomen Provinzen. Denn jetzt behält nicht mehr Rom den geschuldeten Beitrag ein, sondern Bozen und Trient schicken ihrerseits die Millionen von ihren Konten in die Hauptstadt. Inhaltliche Kritikpunkte gäbe es aus Südtiroler Sicht viele. Immerhin reduziert sich der Landeshaushalt um etwa 10 Prozent durch die jährliche Abgabe der 477 Millionen und an eine Rückzahlung des zinslosen Darlehens glaubt wohl auch kaum einer wirklich, wenn jährliche Raten von 20 Millionen für einen Gesamtbetrag von 640 Millionen vereinbart wurden (die letzte käme also im Jahr 2050). Nun ist fast ein Jahr vergangen: Die Frage nach der versprochenen Planungssicherheit stellt sich.

Planungssicherheit stellt sich. Planungssicherheit soll für Südtirol bedeuten, die finanziellen Ressourcen langfristig effizienter planen zu können. Ein Blick in die Dreijahreshaushalte des Landes zeigt dies in Zahlen. Hier wird das Verhältnis zwischen den Gesamteinnahmen und den davon für Investitionen verwendeten Ausgaben deutlich: Eine Erhöhung der Sicherheit und Planbarkeit schafft für gewöhnlich positive Anreize für Investitionen. Verfügt nun das Land durch den Sicherungspakt über klare Informationen darüber, wie viel Geld zukünftig in die Staatskassen zur Haushaltssanierung abfließen wird und somit wie viel Geld in Südtirol für andere Zwecke zur Verfügung bleibt, so dürfte dies zu einer höheren Bereitschaft führen, Investitionsausgaben zu tätigen. In der Tat verzeichnet die Haushaltsplanung seit 2014 einen deutlichen Anstieg: Die Investitionsausgaben nehmen im aktuellen Dreijahreshaushalt 2015-2017 sogar um 400 Millionen Euro zu. Dies ist zwar das erklärte Ziel der Haushaltspolitik in der Ära Kompatscher, doch hatte mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Planungssicherheit Einfluss auf diese Zahlen.

Bleibt zu hoffen, dass sich diesmal Rom an sein Abkommen mit Bozen hält und es mehr Planungssicherheit gibt, als sie schon das Mailänder Abkommen garantiert.

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