Wie kann man Jugendliche stärker an politischen Entscheidungen beteiligen? Gemeinsam mit sieben Partnern aus dem gesamten Alpenraum sucht Eurac Research nach neuen demokratischen Wegen. Ein Gespräch mit der Föderalismusforscherin Greta Klotz, die das Projekt für Eurac Research leitet.

Warum braucht es ein Projekt wie GaYa?

Dass unsere demokratischen Strukturen Belebung nötig haben, ist offensichtlich. Viele Menschen fühlen sich nicht angesprochen von der Politik, wie sie heute im Allgemeinen betrieben wird. Dies gilt besonders für junge Leute. Dabei haben sie durchaus Interesse an gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen. Was fehlt, sind zeitgemäße, innovative Möglichkeiten, aktiv mitzuwirken. Diese Möglichkeiten zu schaffen, ist Aufgabe der politischen Entscheidungsträger, und mit dem Projekt GaYa wollen wir ihnen dabei helfen.

Seit über einem Jahr arbeiten Sie deshalb eng mit 15 Gemeinden im Alpenraum zusammen. Wie sind da bisher die Erfahrungen?

Grundsätzlich positiv – die Gemeinden, die mitmachen, wollen ja mehr Partizipation und Jugendbeteiligung erreichen und sind deshalb sehr offen. Die Motivation ist dabei meist ähnlich: Der Wunsch, die politische Legitimation zu stärken, das Vertrauen in die Politik zu fördern, spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle. Auch die Schwierigkeiten, von denen uns berichtet wird, ähneln sich oft. Viele Lokalpolitiker sind in Bezug auf Jugendbeteiligung zwar guten Willens, aber mit der Umsetzung überfordert: Das beginnt schon damit, dass sie schlicht nicht wissen, wo und wie sie die Jugend erreichen können. Deshalb raten wir den Politikern, sich die richtige Unterstützung zu suchen – erfahrene Menschen oder Organisationen, die als Verbindung mit der Jugend dienen können und die den richtigen Ton treffen.

Was sollten Politiker noch beachten?

Wesentlich ist, den Rahmen eines Beteiligungsprozesses klar zu definieren: Die Jugendlichen müssen genau wissen, was beeinflusst werden kann und was nicht. Und man sollte sich bewusst sein, dass Partizipation Zeit braucht. Wenn fünf Leute etwas unter sich ausmachen, geht es schneller, als wenn man den Entscheidungsprozess für die Bürger öffnet. Aber der Aufwand lohnt sich. Gerade auf lokaler Ebene geht es ja oft um sehr kontroverse, konfliktgeladene Fragen: Wer da am Diskussionsprozess beteiligt ist, lernt Komplexität anzuerkennen und Kompromisse zu schließen. Bei jungen Menschen ist das ein wichtiger Beitrag zur politischen Bildung.

Partizipation ist zeitintensiv, wie Sie sagen – sind junge Leute dafür nicht viel zu beschäftigt?

Wir sind überzeugt, dass es eben auf die Wege ankommt, die man ihnen anbietet. Sie lassen sich nicht in bürokratisierte Verfahren zwingen, aber in kulturellen, sportlichen oder sozialen Organisationen sind sie durchaus politisch engagiert. Es braucht also unkonventionelle und innovative Partizipationsformen. Und es muss für die Jugendlichen die reale Möglichkeit bestehen, etwas zu bewirken und den politischen Entscheidungsprozess zu beeinflussen. Hier hat auch die Verwaltung eine wichtige Rolle: Politiker und Jugendliche mögen noch so engagiert sein – damit es funktioniert, braucht es die Verwaltung als dritten Partner. Denn sie ist es, die die Entscheidungen umsetzen muss und die für Kontinuität sorgt, wenn das politische Personal wechselt. Gelungene Partizipationsprozesse sind deshalb kein Dialog, sondern stets ein „Trialog“.
Auf der Grundlage unserer Erfahrungen und Beobachtungen in den letzten Monaten haben wir aber noch viel mehr Anregungen zusammengestellt – eine Art Werkzeugkoffer für Gemeinden, damit es diesen leichter fällt, Jugendliche stärker in die politische Gestaltung einzubinden. Diese „GaYa-Toolbox“ ist online verfügbar unter http://www.alpine-space.eu/projects/gaya/de/projektergebnisse/partizipation-toolkit

Im Rahmen des Projekts haben Sie auch alpenweit gute Beispiele für partizipative Modelle gesammelt – war es schwierig, die zu finden?

Ohne Anspruch auf eine lückenlose Bestandaufnahme: Unser Eindruck ist tatsächlich, dass es im Hinblick auf innovative Jugendbeteiligung abgesehen von Jugendparlamenten und -räten es noch viel Luft nach oben gibt. Doch was Bürgerbeteiligung allgemein betrifft, so gibt es im Alpenraum zahlreiche Gemeinden, die als Inspiration dienen können. Auf regionaler Ebene ist Vorarlberg da schon sehr weit. 30 Gemeinden haben wir schließlich ausgewählt und zu ihren Erfahrungen interviewt. Einige haben sogar einen rechtlichen Rahmen für Partizipationsprozesse geschaffen, also z.B. eine Charta verabschiedet, die Leitlinien festlegt. Das ist ein beachtlicher Schritt: Er zeigt, dass man Beteiligung nicht nur in einzelnen Projekten zulässt, sondern die Form des Regierens auf lokaler Ebene dauerhaft ändern möchte, das Verhältnis von Bürgern und Politik auf eine neue Basis stellen.

In Südtirol ist Salurn GaYa-Pilotgemeinde – wie sieht das konkret aus?


In allen Pilotgemeinden haben wir in Workshops zuerst einmal die Grundlagen, Methoden und wichtigsten Elemente von Bürgerbeteiligung erklärt. In einem zweiten Schritt brachten wir dann Politiker und Jugendliche zu Gesprächen zusammen. Oft erschöpft sich die „Beteiligung“ von Jugendlichen ja darin, dass sie untereinander Vorschläge ausarbeiten, die dann an die Politiker weitergeleitet werden – es findet also kein wirklicher Austausch statt. Dagegen haben wir sie an einem Tisch miteinander diskutieren lassen, manchmal stundenlang: Was sind eure Probleme? Was unsere? Was wünscht sich die eine Seite und was die andere? Während es in vielen Gemeinden um ganz konkrete Anliegen ging – etwa darum, ein Jugendzentrum zu verwirklichen -, stellte sich in Salurn heraus: Was den Jugendlichen als großes Manko erschien, ist der fehlende Dialog mit der Politik. Es besteht also ganz klar das Bedürfnis nach Partizipation und der Beteiligung an politischen Entscheidungen. Das hat uns schon begeistert. Jetzt hat man sich als erstes Projekt auf einen Ideenwettbewerb zum Thema „cittaslow“ geeinigt: Jeder Salurner zwischen 16 und 29 kann Vorschläge einreichen, die diese Philosophie umsetzen – das kann die Mobilität betreffen, Umwelt, Kultur oder einen gesunden Lebensstil. Die ganze Gemeinde stimmt dann über die Vorschläge der jungen Erwachsenen ab, und der, der am meisten Stimmen erhält, wird verwirklicht.

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