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Mit dem Sentinel Alpine Observatory haben Forscher von Eurac Research die Alpen ständig im Blick. Knowhow und Daten werden über eine offene Plattform zur Verfügung gestellt und von Behörden, Organisationen und Forschungseinrichtungen, aber auch Unternehmen und PhD-Studenten genutzt.

Fünf Sentinel-Satelliten aus dem Umweltprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA kreisen derzeit um die Erde. Die Bilder und Radaraufnahmen dokumentieren unter anderem die Alpen bei Tag und Nacht und bei jedem Wetter. Sie zeigen, wie sich die Gletscher verändern, aber auch den Zustand des Bodens und Schäden an der Vegetation. Verarbeitet werden die Bilder vom Sentinel Alpine Observatory, der ständigen Beobachtungsstelle von Eurac Research. Die Forscher erstellen Datenbanken und entwickeln Kartierungen zu den Alpen: Für die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft und die öffentlichen Verwaltungen sind sie von großem Wert.
Für Gletscherforscher ist die obere Schneegrenze ein wichtiger Faktor, um das Schmelzen der Gletscher im Sommer genau zu berechnen. Vor Ort ermitteln sie einige Punkte per GPS und legen so die Grenzlinien fest. Da der Großteil des Geländes nicht zugänglich ist, sind nur annähernde Messungen möglich. „Mithilfe der Sentinel-Satelliten können unsere Experten die Schneegrenze zu jedem beliebigen Zeitpunkt und für jeden Gletscher im Alpenraum am Computer genau ermitteln“, erklärt Marc Zebisch, Klimaforscher und Leiter des Instituts für Erdbeobachtung von Eurac Research.
Seit Jahren arbeiten die Forscher des Südtiroler Forschungszentrums an Technologien zur Datenerhebung, -überprüfung und -aufbereitung, und an Algorithmen, die die Informationen für die Anwender zugänglich machen. Sturmschäden an Wäldern ermitteln, das Pflanzenwachstum im Verhältnis zur Bodenfeuchte messen und damit die Bewässerung effizient planen, die Wassermenge in den Flüssen während der Schneeschmelze vorhersagen oder die Schneebedeckung in bestimmten Gebieten über mehrere Winter hinweg vergleichen: Das alles können die Experten dank der neusten Satellitentechnologien.
„Seit Jahren ist Südtirol unser Labor. Mit unserem Knowhow haben wir uns auf internationaler Ebene zum führenden Zentrum für die Verarbeitung von Satellitendaten zu den Alpen entwickelt. Kein Berggebiet auf der Welt wird permanent so genau überwacht“, sagt Zebisch.
Alle drei Tage erhalten und bearbeiten die Forscher von Eurac Research die Aufnahmen der Sentinel-Satelliten. Das Angebot reicht von Rohdaten über nur zum Teil bearbeitete Materialien bis hin zu aufbereiteten Karten oder Zeitreihen, die Verwaltungen sofort nutzen können. Auf der Onlineplattform http://sao.eurac.edu sind die Daten für jedermann zugänglich. „Was diese Plattform so besonders macht, ist der Faktor Zeit: Die Frequenz der Aufnahmen erlaubt uns, permanent jede Veränderung auf der Erdoberfläche aufzuzeichnen und die Entwicklung bestimmter Phänomene wie etwa Bodenbewegungen in verschiedenen Gebieten im Alpenraum zu vergleichen. Bei Naturkatastrophen können wir Aufnahmen, die zu verschiedenen Zeitpunkten gemacht wurden, übereinander legen, um Schäden einzuschätzen“, ergänzt Carlo Marin, Fernerkundungsexperte von Eurac Research.
Auf dem Blog http://sao.eurac.edu/blog berichten die Forscher laufend über ihre Arbeit.

Die Rohdaten des Sentinel Alpine Observatory haben einen Umfang von etwa 100 Terabyte, das entspricht der Speicherkapazität von rund 15.000 CDs. Aus diesen Daten generieren die Forscher neue Produkte, die zusätzlichen Speicherplatz benötigen und in verschiedensten Bereichen Anwendung finden. Wir haben drei dieser Bereiche mit unseren Forschern genauer unter die Lupe genommen, um zu verstehen, wie Satellitenbilder in der Praxis genutzt werden.

WASSERVERBRAUCH REDUZIEREN
Wie kann man in Skigebieten den Wasserverbrauch reduzieren und gleichzeitig die Schneequalität der Pisten gewährleisten? In Kolfuschg und auf dem Kronplatz wurde vergangenen Winter ein Informationsdienst gestartet, der meteorologische Daten sowie Daten zur aktuellen Schneemenge und -qualität umfasst, die unter anderem anhand von Satellitenbildern erhoben werden. „Unser wissenschaftlicher Beitrag besteht darin, die notwendigen Daten der Sentinel-Satelliten zu verarbeiten“, erklärt Claudia Notarnicola, Physikerin am Institut für Erdbeobachtung. Das von Météo France koordinierte Projekt soll dazu beitragen, dass Skipistenbetreiber, indem sie die Daten direkt auf einer Online-Plattform abrufen, die Beschneiung langfristig und nachhaltig planen können. Neben den beiden Testgebieten in Südtirol sind weitere sechs Skigebiete im Alpenraum an diesem Projekt beteiligt.

WALDVERÄNDERUNGEN BEOBACHTEN
Die heißen Sommer der vergangenen Jahre machten der Schwarzföhre im Vinschgau schwer zu schaffen – ein Schädlingsbefall durch den Kiefernprozessionsspinner schwächte den 800 ha großen Föhrenwald zusätzlich. „In Südtirol ist der Wald von zentraler Bedeutung: Er schützt vor Naturgefahren wie Hangrutschungen und Lawinen“, erklärt Ruth Sonnenschein. Sie hat gemeinsam mit anderen Forschern des Instituts für Erdbeobachtung und in enger Zusammenarbeit mit der Forstverwaltung des Landes einen satellitendatenbasierten Service entwickelt: Der Forest Monitoring Service soll dabei helfen, Veränderungen des Waldes frühzeitig zu erkennen, um zeitnah entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Die Sentinel-Satellitenbilder ermöglichen beispielsweise, entsprechend dem Blattgrüngehalt der Bäume, Auskunft über ihre Vitalität zu geben: Je intensiver das Grün, desto gesünder sind sie. Über einen längeren Zeitraum beobachtet, lässt sich daraus ableiten, wie sich klimatische Veränderungen und Naturgefahren auf den Waldbestand auswirken. So kann die Forstverwaltung frühzeitig feststellen, welche Waldgebiete potentiell gefährdet sind und so Neubepflanzungen effizient planen.

RISIKOMANAGEMENT OPTIMIEREN
Wie sich eine Naturereignis auf die Menschen auswirkt, hängt unter anderem auch davon ab, zu welcher Uhrzeit es eintritt und wo die Menschen sich gerade aufhalten. Erdbeben fordern nachts meist mehr Todesopfer und Verletzte, weil die Menschen schlafen und Gebäude nicht schnell genug evakuiert werden. So forderte das Erdbeben in Amatrice im August 2016 fast 300 Tote – es ereignete sich um halb vier Uhr nachts. Wird in einem Ort hingegen die Hauptverkehrsader zur Rushhour von einer Mure verschüttet, dann kommen mehr Menschen zu Schaden, als nachts, wenn kaum jemand unterwegs ist.
Forscher der Universität Southampton haben ein „Bevölkerungsverteilungsmodell“ entwickelt: Mit der dazu erstellten Software ist es möglich, stündlich nachzuzeichnen, wo sich die Bevölkerung aufhält, beziehungsweise wohin sie sich bewegt. Die Hochrechnungen bauen auf Wahrscheinlichkeiten – Forscher sprechen von probabilistischen Algorithmen. Dieses Modell haben die Geographen Kathrin Renner und Stefan Schneiderbauer nun auf Südtirol übertragen. Beide forschen im Bereich Vulnerabiliät, also der Verwundbarkeit gegenüber Naturgefahren. Sie „füttern“ die Software mit offiziellen Daten der zuständigen Landesämter, beispielsweise zu Wohnort und Arbeitsplatz, Verkehrsflüssen sowie Nächtigungs- und Gästezahlen. „Ereignet sich etwa eine Hangrutschung in Corvara, so berücksichtigt das Modell, wie viele Menschen sich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich in der Ortschaft aufhalten und direkt gefährdet sind – diese Zahlen variieren zwischen der Sommer- und Wintersaison drastisch“, erklärt Schneiderbauer. Mit diesem Modell kann die Arbeit der Einsatzkräfte im Katastrophenfall effizienter gestaltet werden.
Beim Voraussehen von Gefahren sind wiederum die Sentinel-Satellitenbilder von großem Wert: Der Vergleich von Bildern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden, ermöglicht den Forschern beispielsweise Bewegungen am Hang kostengünstig zu beobachten.

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