Herausforderung „total digital“
Die zunehmende Digitalisierung unserer Welt fasziniert genauso wie sie beunruhigt. Das Projekt „A21 Digital Tyrol Veneto“ unterstützt Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik dabei, fundierte Strategien für den digitalen Wandel zu entwerfen.
Wir informieren uns über Busverbindungen in einer App, können die Wartezeiten im Krankenhaus online einsehen und schon Kindergartenkinder können ein Tablet bedienen. Die digitale Revolution verändert das heutige Leben und stellt gleichzeitig eine Herausforderung dar, von der sich viele überfordert fühlen. Den Anschluss an die Digitalisierung verpassen – davor haben viele Unternehmer Angst. Und doch wollen alle dabei sein und die Vorteile des digitalen Zeitalters nutzen.
Das Projekt „A21 Digital Tyrol Veneto“ möchte Politik und Wirtschaft in der Makroregion Tyrol Veneto, also in den Regionen Trentino-Südtirol und Veneto, dabei unterstützen, die richtigen Strategien zu wählen, um in verschiedenen Handlungsbereichen den „digitalen“ Weg zu gehen. Dieser beginnt mit Big Data: Egal ob Touristenströme oder Maschinenwerte – riesige und komplexe Datenmengen sind bares Geld, sofern man sie zu lesen weiß. Im nächsten Schritt der Digitalisierung stehen Maschinen miteinander im Austausch, auch wenn die dafür nötigen Algorithmen noch von Menschen programmiert werden. Doch bereits ab 2025 könnten lernende Maschinen die menschliche Intelligenz laut aktuellen Prognosen immer stärker in den Hintergrund drängen. Maschinen, die die Welt bestimmen und uns die Arbeit abnehmen? Das klingt nicht nur nach Versprechen, sondern flößt auch Angst ein.
Die Digitalisierungsstudie „A21 Digital Tyrol Veneto“ setzt genau an diesem Punkt an: Sie hat das Ziel, für Entscheidungsträger Strategien und Empfehlungen für eine digitale Zukunft zu entwerfen und ihnen damit auch die Angst vor einer Welt nehmen, in der Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle spielt. Welche Initiativen müssen Politik, Verwaltung und Unternehmen in den kommenden Jahren treffen? Wie kann sich die Gesellschaft auf die Veränderungen einstellen? Fragen wie diese wollen die Forscher mit dem Projekt beantworten. Gefördert wird es durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und Interreg V-A Italien Österreich 2014-2020 und unterstützt von der Initiative A21 Digital, einem Unternehmernetzwerk mit Fokus auf die Digitalisierung. Zum Forschungsteam gehören Professoren und Wissenschaftler der Universitäten Bozen und Verona, sowie das gemeinnützige Unternehmensnetzwerk A21 Digital mit Sitz in Innsbruck. Ein interkulturelles und interdisziplinäres Team also, das auch Südtiroler Unternehmer bei einer der größten aktuellen Herausforderungen unterstützt.
Der Fokus des Projektes liegt auf einer „360-Grad-Digitalisierung“ in den Bereichen Bildung, mit den Unterthemen Ausbildung und Lifelong Learning und im Bereich Wirtschaft in Hinblick auf die Industrie 4.0. Besonders wichtig ist dem Forschungsteam auch der Bereich Gesellschaft: Hier werden im Projekt die Themen öffentliche Verwaltung, Transport, Mobilität und Sanität behandelt. All diese Schwerpunkte kristallisierten sich aus einer umfangreichen Literaturrecherche und 80 Interviews heraus, die im Zuge des Projektes gemacht wurden. 60 davon führten die Forscher mit Verantwortlichen von Unternehmen und Bildungseinrichtungen in Tirol, Südtirol und Veneto; 20 weitere mit Experten auf internationaler Ebene, die es ermöglichten, die regionalen Themen in einen Gesamtkontext zu stellen: Wie relevant ist die Digitalisierung für Südtirol? Mehr als relevant, zeigten die Gespräche, in denen die Interviewten die Themen nach ihrer Priorität gewichteten und den Handlungsbedarf in den verschiedenen Bereichen einschätzten. Besonders akut wurden dabei die „digital skills“, also die digitalen Kompetenzen innerhalb eines Unternehmens bewertet. Um die Herausforderung des digitalen Wandels zu bewältigen, reicht es allerdings nicht vorbeugend möglichst viele Informatiker einzustellen. Es gilt auch, ihre Aufgabenbereiche möglichst konkret zu definieren und sie an den richtigen Stellen einzusetzen.
Auf dem Arbeitsmarkt sehen die Befragten insgesamt einen „sehr dringenden“ Handlungsbedarf. Das betrifft sowohl Arbeitsmarktregelungen wie Anforderungen an das Bildungssystem, beispielsweise mit neuen Studiengängen wie Cybersecurity. Auch von dualen Ausbildungen verspricht sich das Forschungsteam durch die Wechselbeziehung aus Theorie und Praxis Vorteile für den Ausbau digitaler Kompetenzen. Dieses Handlungsfeld hängt eng mit einer weiteren Herausforderung für die Makroregion zusammen, die von den Forschern unter dem Stichwort „Smart Region“ zusammengefasst wurde. Hier geht es darum, Südtirol, Tirol und Veneto noch attraktiver für junge und gut ausgebildete Talente zu machen.
Die Studie zeigte auch, dass das Thema „Smart Mobility“ in Südtirol eine hohe Bedeutung hat. „Gerade wir als Green Region müssen uns in diesem Bereich engagieren“, erklärt Dominik Matt, Professor an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, der das Projekt von Seiten der unibz leitet. Als Vorreiter kann die Stadt Tallinn in Estland gesehen werden, in der alle Einwohner seit 2013 kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Erste Schritte in Richtung einer nachhaltigen Mobilität wurden auch in Südtirol bereits mit dem abo+ und dem Südtirol Pass gesetzt, doch angesichts neuer digitaler Möglichkeiten bleibt noch genug Luft nach oben.
Wir müssen auch in Südtirol bis zur letzten Milchkanne leistungsstarke Internetverbindungen haben.
Auch in anderen Bereichen der Digitalisierung kann sich die Makroregion an internationalen Vorbildern ein Beispiel nehmen, wie zum Beispiel an China und den baltischen Staaten, die im Bereich Vernetzung oder 5G führend sind. Um Digitalisierungsstrategien realisieren zu können, braucht es allem voran schnelles Internet – und das überall. „Wir müssen auch in Südtirol bis zur letzten Milchkanne leistungsstarke Internetverbindungen haben“, fordert Matt. Das Forschungsteam beschäftigt sich aber nicht nur mit den Chancen der Digitalisierung, sondern auch mit ihren Risiken. Die ständige Erreichbarkeit und zunehmende Abhängigkeit von mobilen Geräten stellt die Gesellschaft vor neue Probleme, die von Entscheidern mitgedacht werden müssen. Die moralischen und ethischen Aspekte der Digitalisierung dürfen nicht vernachlässigt werden.
Genauso berücksichtigt werden müssen die Ängste, die das Thema auch in Unternehmen schürt. Schließlich brechen in Folge der Digitalisierung Geschäftsgrundlagen weg und man befürchtet, dass Maschinen und Roboter viele Arbeitsplätze wegnehmen werden. Doch im Gegenzug entstehen auch viele neue Jobs, unterstreicht Matt, der die Wichtigkeit hervorhebt, Mitarbeiter bewusst im Prozess des Wandels mitzunehmen. Entscheidungen innerhalb eines Unternehmens müssen „bottom up“, also mit den Mitarbeitern, getroffen werden. Somit kann sichergestellt werden, dass alle Betroffenen miteinbezogen und mitqualifiziert werden, um dann gemeinsam in eine Richtung zu gehen. In Richtung Digitalisierung.
Dominik Matt ist Professor an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik an der Freien Universität Bozen und Leiter des Projektes. Er gibt Unternehmen drei wesentliche Empfehlungen für digitale Strategien:
Welchen Tipp geben Sie lokalen Unternehmen, die sich für die Digitalisierung entscheiden?
Der wichtigste Punkt ist für mich, die Menschen mitzunehmen. Digitalisierung soll den Menschen dienen, deswegen stehen die Mitarbeiter eines Unternehmens im Vordergrund digitaler Strategien. Entscheidungen sollten nicht „topdown“ getroffen werden, sondern „bottom up“, gemeinsam mit den Mitarbeitern.
Viele Unternehmer haben Ängste vor der Digitalisierung.
Das ist durchaus nachvollziehbar. Ängste sind Teil der Digitalisierung, aber sie sind wenig hilfreich. Durch die Digitalisierung entstehen zum Beispiel viele neue Jobs. Umso wichtiger ist es, diese Ängste abzubauen, indem man die betroffenen Menschen informiert, mit einbezieht und mitqualifiziert. Damit dann alle gemeinsam in eine Richtung gehen.
Welche Empfehlung geben Sie den Unternehmen noch?
Sich ganz klare Strategien zu überlegen. Man muss die eigenen Visionen und Ziele klären, nur dann können neue Strategien funktionieren. Dabei ist auch wichtig, dass der wirtschaftliche Nutzen gegeben ist. Ohne diesen macht alles keinen Sinn.
Und ein dritter Tipp?
Sich mit Experten zu unterhalten. Unsere Region besteht zu 99% aus Kleinst- und Kleinunternehmen und gerade sie brauchen Unterstützung. Deswegen bieten wir an der unibz in der „Smart Mini-Factory“ zum Beispiel Seminare und Workshops zu spezifischen Themen an. Lokale Unternehmen sollten diese Angebote nutzen.
Sind die Unternehmen, wenn Sie diese drei Punkte einhalten, bereit für die Digitalisierung?
Dann sind auf jeden Fall die ersten Schritte getan. Denn die Menschen mitzunehmen, sich klare Ziele setzen und sich von Experten beraten zu lassen, stehen für mich ganz weit oben. Dazu kommt noch, dass man sich gedanklich von einer Isolation verabschieden sollte. Gerade in der heutigen Zeit sind ein gemeinsames Netzwerk und Kooperationen wichtig. Wir müssen uns zusammenschließen.
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