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Erdbeerfelder, wo nur Grünlandwirtschaft möglich war, Tigermücken, Gletscherschwund: Der neue Klimareport von Eurac Research analysiert die Klimaveränderungen in Südtirol und wie sie sich auswirken. Drei Fragen an den Geoökologen Marc Zebisch, wissenschaftlicher Leiter des Projekts.

Wie hat der Klimawandel Südtirol schon verändert?
Marc Zebisch: Es ist deutlich wärmer geworden: Seit den 1960er Jahren im Sommer um durchschnittlich zwei Grad, in Bozen und Brixen sogar um drei. Tropennächte, in denen es nicht kühler als 20 Grad wird, sind viel häufiger geworden – in Bozen hatten wir im Sommer 2015 einen Rekord von 29 Tropennächten –, sehr kalte Tage seltener: In Sexten gab es 1960 noch 200 Tage mit einer Minimaltemperatur unter null Grad, heute sind es ca. 160. Die Erwärmung hat die Gletscher schrumpfen lassen, allein zwischen 1998 und 2006 um ein Drittel. Permafrost taut auf, was die Berghänge instabiler macht. Es schneit weniger und regnet mehr: Das heißt, neben mehr Schneekanonen, weniger Wasser im Sommer. Dazu kommt, dass wegen der Hitze mehr Wasser verdunstet. Der Sommerabfluss der Etsch hat sich seit 1957 um 20% verringert. Tiere und Pflanzen, denen es zu warm wurde, sind in höhere Regionen ausgewichen; neue Arten breiten sich aus – etwa die Tigermücke. Schädlinge vermehren sich schneller. Aber steigende Temperaturen bedeuten z.B. auch, dass Obst und Wein in höheren Lagen angebaut werden können.

Und was kommt noch auf uns zu?
Zebisch: Das hängt davon ab, inwieweit es gelingt, die Emissionen zu senken. Aufzuhalten sind die Veränderungen nicht mehr – selbst wenn wir ab sofort die Treibhausgasemissionen stark reduzieren. Im pessimistischsten Szenario könnten die Sommer in Südtirol bis 2100 um 5°C wärmer werden, in einem optimistischen Szenario mit starker globaler Reduktion der Emissionen um circa 2°C. In der gleichen Zeitspanne, schätzt man, werden die Schneefälle auf 1500 Meter um 80-90% zurückgehen. Die Winter werden also weiter milder und feuchter, die Sommer heißer und trockener. Extremereignisse wie Starkniederschläge werden häufiger. Doch wie negativ sich all dies auf unser Leben auswirkt, haben wir auch selbst in der Hand: Es kommt darauf an, wie wir uns auf die Veränderungen vorbereiten und mit den Folgen umgehen. Je mehr Boden wir versiegeln, sodass Regen nicht versickern kann, desto wahrscheinlicher sind Überflutungen. Oder unser Wasserverbrauch: Nimmt die Anbaufläche von Intensivkulturen zu, braucht es mehr Bewässerung, bei trockeneren Sommern; wir müssen Wasser also effizienter nutzen.

Mit welcher Sicherheit lassen sich Klimaveränderungen überhaupt voraussagen?
Zebisch: Kein Modell kann die Zukunft des Klimas exakt vorhersagen – die Zusammenhänge sind zu komplex; doch können gut Szenarien berechnet werden im Sinne: Was würde passieren, wenn sich die Emissionen in die eine oder die andere Richtung entwickeln? Außerdem verfügen wir dank der meteorologischen Stationen der Provinz in Südtirol über Daten für die vergangenen 50 Jahre, und wir gewinnen laufend Informationen aus Satellitendaten und spezifischen Messungen. Als wichtiges Instrument haben wir mit diesem Klimareport mehr als 20 Indikatoren eingeführt, die fortgeschrieben werden – so können wir sowohl künftige Veränderungen als auch die Wirkung von Klimaschutz- und –anpassungsmaßnahmen genauer beobachten.

Zum Downloaden des Klimareports: www.eurac.edu/klimareport

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