Was existiert? Was ist ein Gegenstand, was ein Lebewesen, was eine Eigenschaft? Die fundamentalen Fragen des Daseins haben in der Antike ganze Philosophenschulen beschäftigt, jetzt erlebt die Ontologie ein Revival. Warum? Weil man die Antworten auf die existenziellen Fragen Maschinen beibringen will – Stichwort: künstliche Intelligenz, Stichwort: intelligentes Internet.

3rd Joint Ontology Workshops: The Tyrolean Autumn“, kurz: JOWO, nennt sich eine internationale Veranstaltungsreihe, die dieser Tage bereits zum dritten Mal stattfand. Nach Buenos Aires und dem französischen Annecy war die Reihe an der Fakultät für Informatik der Freien Universität Bozen. Wissenschaftler unterschiedlichster Bereiche gingen dabei den zentralen ontologischen Fragen nach und beleuchteten diese aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. So haben Wirtschaftswissenschaftler mit Informatikern, Linguisten mit Philosophen, Logiker mit Mathematikern über die allgemeinsten Fragen diskutiert, die es gibt: Was existiert? Was ist der Mensch? Was macht ein Lebewesen aus und unterscheidet es von einem Gegenstand? Und wie lässt sich das alles beschreiben, wie lässt es sich abbilden?

Die Frage, die ein Laie sich zu alledem noch zusätzlich stellt, ist: Warum interessiert das die Informatik? Die Antwort kommt von Oliver Kutz, Forscher an der Fakultät für Informatik der unibz und Mitorganisator von JOWO: „Wenn man einer Maschine Intelligenz beibringen will, dann muss man mit den Antworten auf diese fundamentalen Fragen beginnen.“ Oder anders: „Wenn wir das Nachdenken den Maschinen übergeben wollen, müssen wir Wissen symbolisch so kodieren, dass der Code für alle derselbe ist“, so Kutz.

Theoretische Fragen, praktische Auswirkungen

Der unibz-Forscher macht ein drastisches Beispiel: Mit dem über 300 Millionen Dollar teuren „Mars Climate Orbiter“ seien, so Kutz, bereits Sonden der NASA abgestürzt, weil zwei Programme mit unterschiedlichen Maßeinheiten gerechnet hätten: eines im metrischen System (Newton), das andere im imperialen System (Pound-force). Einige man sich nicht auf gemeinsame, auch linguistische Standards, falle die Kommunikation flach. Das Zauberwort ist also „Interoperabilität“, die Fähigkeit unabhängiger Systeme, Informationen auszutauschen – möglichst ohne Missverständnisse. „Es geht in der Ontologie um grundlegende Fragen mit extremen praktischen Auswirkungen“, so Kutz.

Grundsätzlich unterscheidet man die allgemeine von der speziellen Ontologie. In der allgemeinen Ontologie geht es um fächerübergreifende Fragen, darum also zu klären, wie sich Entitäten (Prozesse, Objekte, Eigenschaften, Qualitäten) voneinander unterscheiden und wie sie miteinander in Beziehung stehen. „Die allgemeine Ontologie kommt tief aus der Philosophie“, so der unibz-Forscher. Die spezielle Ontologie konzentriert sich dagegen auf einzelne Bereiche. „Das geht soweit, dass man – für Südtirol interessant – etwa eine Wein-Ontologie entwickelt, in der man fragt, was für diesen Bereich relevante Dinge sind: Farben, Aromen, aber auch die entsprechende Terminologie, mit der man all dies beschreibt“, so Kutz. Wolle man nämlich einer Maschine beibringen, Wein zu beschreiben, müsse man ihr diese Grundlagen vermitteln.

Maschinelle Ärzte und intelligentes Internet

Die Bereiche, die derzeit die Ontologie besonders weiterbringen, sind Biotechnologie und Medizin. „Das hat auch damit zu tun, dass es in diesen Bereichen eine unglaublich komplexe Terminologie gibt, endlose Begriffsbäume, in denen sich Fachleute früher selbst zurechtfinden mussten“, so der Informatiker. Heute übernähmen Computer oft das Suchen: „Der Mediziner soll nur noch die Symptome eingeben müssen, der Computer erkennt und versteht diese und wühlt sich daraufhin durch Millionen Seiten Fachliteratur, um relevante Informationen herauszufiltern“, erklärt Kutz.

Um das Herausfiltern relevanter Informationen geht es auch im Internet, das auf dem Weg ist, ein intelligentes zu werden. Auch dafür bedarf es der Grundlagenarbeit der Ontologie. So geht die Entwicklung hin zu einem „Semantic Web“, in dem der Nutzer zwar nur – wie bisher – die auf den Webseiten dargestellten Informationen sieht, das Web im Hintergrund aber zusätzliche Informationen sammelt. „Wenn wir auf einer Website das Wort ‚Pferd‘ sehen, soll die Technik diesen Begriff in Beziehung zu anderen Begriffen setzen: sie soll wissen, dass das Pferd ein Lebewesen ist, zu welcher Familie es gehört und dass beispielsweise ‚Gaul‘ eine Unterklasse der Pferde ist, nämlich die der domestizierten ‚Hauspferde‘“, so Kutz. Suchmaschinen könnten so relevante Informationen erkennen, auch wenn darin das Wort „Pferd“ nicht vorkomme. „Die Informationen, die uns angezeigt werden, werden logischer, die Suchen treffgenauer“, erklärt der Informatiker der unibz.

Die Bozner JOWO ist damit ein kleiner Schritt auf dem Weg hin zu Maschinen, die unserer Vorstellung von Intelligenz immer näher kommen, die abstrahieren, kombinieren, analysieren, die – wie es schon Gottfried Wilhelm Leibniz im 17. Jahrhundert formulierte – nichts anderes tun als nachzudenken.

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