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Antonino Benincasa, Professor an der Fakultät für Design und Künste, verlegte im Sommer 2015 sein Kreativlabor ins Bozner Gefängnis. Zehn Häftlinge entwarfen mit seiner Unterstützung Plakate. In wuchtiger Bildsprache erzählen sie von Menschen an einem Ort, der keine schönen Bilder kennt.

Professor Benincasa, was hat Sie dazu veranlasst, mit Häftlingen ein Designprojekt zu realisieren?

Antonino Benincasa: Ich wollte der Frage auf den Grund gehen, ob Design erlernbar ist oder doch eine angeborene Begabung. Um der Antwort einen Schritt näher zu kommen schien es mir spannend, mit Menschen zu arbeiten, die ganz andere Sorgen haben als die Auseinandersetzung mit dem Schönen.

Das klingt ein bisschen blauäugig?

Benincasa: Zugegeben, das war ich auch. Und obendrein voller Vorurteile gegenüber den Menschen dort. Ihr erster Tag im Gefängnis? Benincasa: Bedrückend. Es war ein herrlicher Sommertag – und ich betrat ein Schattenreich. Die Zustände im Gefängnis sind erbärmlich… Und dann war da dieser Computerraum. Die Geräte waren mit derselben Profi-Designsoftware ausgestattet, die die Erstsemester an der Freien Universität Bozen nutzen. Vollkommen skurril. Nur Internetanschluss gab es natürlich keinen.

Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?

Benincasa: Die Gefängnisdirektorin Anna Rita Nuzzaci ist sozial sehr engagiert und hat mich in allem unterstützt, auch in der Vorauswahl der zehn Teilnehmer. Unser Projekt „Design hinter Gittern“ ist das allererste seiner Art in einem italienischen Gefängnis.

Welche Vergehen hatten sie begangen?

Benincasa: Vom Diebstahl über schwere Körperverletzung. Ein Teilnehmer war wegen Mordes in Haft. Das habe ich allerdings erst im Lauf der Arbeit herausgefunden.

Gab es Momente, in denen Sie sich unwohl gefühlt haben?

Benincasa: Nein. Es war immer sehr entspannt. Ich war höchstens bedrückt. Wie die Insassen übrigens auch. Emotionen waren aber auch ein wichtiger Bestandteil der Projektaufgaben.

Welche Aufgaben stellten Sie den Teilnehmern?

Benincasa: Jeder musste drei Plakate erarbeiten. Das erste Thema: „Dein Blick nach hinten“ – zu dem Moment, in dem du an die Weggabelung kamst, die dich hierherführte. Das zweite Thema war „Resistenza“ – was hilft dir, deinen Gefängnisalltag durchzustehen. Das dritte: „Deine Zukunfts- Utopie“. Die Ergebnisse sind erstaunlich kreativ.

Wie sehr haben Sie die Arbeiten gelenkt?

Benincasa: Gar nicht. Die Themen waren so emotional, sie waren ein Selbstläufer. Ich habe den Teilnehmern lediglich Desginmethoden und -techniken beigebracht, mit denen sie ihre Gedanken, also Worte, in Bilder umsetzen konnten. Wir haben zunächst manuell mit illustrativen Mixtechniken gearbeitet und dann die Entwürfe mit dem Computer weiter bearbeitet. Die größte Herausforderung? Benincasa: Gefängnisinsassen sind vom Rest der Welt isoliert. Als freier Kreativer kann ich mich in ein Thema durch Bildund Textrecherche einarbeiten. Das konnten die Teilnehmer nicht. Zumindest nicht eigenständig. Und so beauftragten sie mich, ihnen Material mitzubringen. Unter anderem Bilder von Küchenmessern.

Einer Tatwaffe?

Benincasa: Ja. Das war ein Moment, der mir die Augen geöffnet hat. Ich hatte gerade angefangen, die Teilnehmer als Menschen wie du und ich zu sehen. Und mit einem Schlag wurde mir bewusst: Da gibt es auch Opfer, für die keine Wiedergutmachung mehr möglich ist. Sie haben mit Menschen gearbeitet, die Strafen für leichtere, aber auch sehr schwere Verbrechen absitzen.

Wurden Sie je dafür kritisiert, Verbrechern eine angenehmere Zeit hinter Gittern zu verschaffen?

Benincasa: Der Einwand ist berechtigt. Die Verbrechen sollen auf keinen Fall bagatellisiert werden. Dennoch ist das vollkommene Wegsperren, vor allem aber das vollkommene Wegsehen auch keine Lösung. Das Gefängnis ist in unserer Gesellschaft ein genau so großes Tabuthema wie der Tod. Die meisten Insassen werden ja wieder in die Gesellschaft entlassen. Spätestens dann müssen wir wieder hinschauen.

Um zu Ihrer Ausgangsfrage zurückzukommen: Ist Design lehr- und lernbar?

Benincasa: Absolut. In jedem Menschen steckt kreatives Potenzial. Man wird nicht als fertiger Künstler oder Designer geboren. Design ist eine Disziplin, die erlernbar ist. Die Entwürfe der Häftlinge liefern den Beweis.

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